Kurze London-Notizen
Was fällt auf?
1. Es gibt eine Passkontrolle. Ich wusste kaum mehr, dass es so was noch gibt. Von der Organisation her fast wie in den US, außer dass man keine Schuhe ausziehen muss.
2. The little differences: Die Aufputz-verlegten Kabel, die Einrichtungen, die viel mehr nach USA aussehen, immer etwas billig und schlecht verlegt. Die Leute stellen sich links an und gehen auf der linken Seite. Auf der Rolltreppe steht man trotzdem rehts.
3. Die Menschen: Lauter Inder und Schwarze. Insbesondere die vielen Inder sind ein ungewohnter Anblick. Die Menschen schwatzen miteinander in der UBahn, auch wenn sie sich nicht kennen. Mehr Emotion in den Gesichtern.
4. Die Tube: Die Bahnhöfe scheinen immer zwischen "kurz vor der Fertigstellung" und "kurz vor dem Abriss" zu sein. Die Service-Meldungen am Eingang - süß. Außerhalb der Rush Hour extrem angenehm: Zug kommt nach einer Minute, freier Sitzplatz. Witzige, winzige Sitzbänke mit weichem Polster und wenig Beinfreiheit.
5. Die Werbungen - kreativer. Nur ein bisschen. Ein Gewinnspiel, für das man sein Handy an einen, wie nennt man das, Respirator, Akzeptor, Infrarot-Empfänger halten muss, was auch immer, mitten auf das Plakat geklebt, rot leuchtend und im Kreis sich drehend. Sicher nicht billig.
6. Die Backsteinbauten mit ihren Aufschriften aus dem vorletzten Jahrhundert. Die Pubs und Geschäfte mit ihrer kalligraphischen Bemalung. Die Tradition wird hier nicht nur gelebt, sie wird geatmet.
7. Die - teilweise - fantastische moderne Architektur. London kennt wohl viele Bausünden, wie das Barbican, ein Gasteig der 60er, Heimatstatt des London Symphony Orchestra, eine betongewordene Ödnis, im Grau der Sozialwohnungen gehaltene Utopie. Doch immer noch schöner als das Olympiadorf. Aber das Lloyds-Building kann mich begeistern, oder die "Gurke", ein konischer Bau, sicher irgendeine stahlgewordenene mathematische Formel von starker Klarheit und wahrscheinlich mittelmäßiger Praktikabilität. Oder, nicht weit davon entfernt, das Chaos der Brick Street, ein Stück London aus der Zeit Jack the Rippers, zwischen grasüberwachsenen Gleisrelikten ein riesiger Flohmarkt am Sonntag, abends wohl Ausgehviertel, wenn man indische Currys mag. Die Stadt lebt, verändert sich, entwickelt sich, anders als München, das architekturmäßig nur zurückschaut und sonst Opfer ist von Immobilien-Developern mit Architektur von Stange und Baumarkt.
8. Kaffee. Ich war gekommen, um Tee zu trinken. Die Tatsache, dass nur noch in einigen Nobelhotels der Fünf-Uhr-Tee noch zelebriert wird, hat an meinem Selbstverständnis genagt. Seit 10 Jahren ist in London das Fieber ausgebrochen. Zunächst die Starbucks-Filialen allerorten, die sich schon bei meinem letzten Besuch im Mai 1999 finden ließen, heute jedoch an jeder Straßenecke einen willkommenes Ersatz für ein öffentliches WC darstellen. Lokale Ketten, die anders heißen, aber genauso aussehen und schmecken. Und dann ein kleines Paradies mit Namen "Flat White", der beste Caffè Londons. Flat White, die neuseeländische (!) und in Australien populäre Variante des Capuccinos, von frustrierten Kiwis exportiert. Genial - während Capuccino für Beliebigkeit steht, gleichermaßen für die perfekte Variante wie die gemeine Plörre, war der Ausdruck "Flat White" noch unbefleckt und wurde hier neu belegt als Synonym für perfekten Cappuccino: ein rassiger Kaffee, perfekt eingestellte Maschien und ein geschultes Barista-Team. So muss es sein. Da zahlt man gern den Preis von £2,20, schlappe €3,30, DM 6,60.
9. Jüdische Comedy. Ist einfach am Besten, siehe Seinfeld. Auch wenn man als Deutscher natürlich sein Fett wegkriegt. Oder als Iraner. Umso schöner, wenn beide Spezies in der ersten Reihe im Comedy Club sitzen. "I have nothing against the Germans. Ok, I miss my grand parents... well, actually, I don't miss them that much..."
10. Die Restaurant-Kultur. Kein Laden, der was auf sich hält, der nicht von einem Designer durchgestylt wurde. Fast unzählbar viele Restaurants. Man bräuchte Monate, um sich einen Überblick zu verschaffen. Neue englische Küche, auf internationalem Niveau. So verschafft nur der Geldbeutel zu Demut und Bescheidenheit. Und verlegt den großen Restaurant-Test auf das nächste mal.
11. Soho. Ich habe seit Jahren einen Tagtraum gehabt, wo ich irgendwo am Rand eines dichten Viertels stehe und zum ersten Mal im Leben einen Starbucks betrete. Seit Jahren habe ich mich mit der Frage gequält, wo das war. Es war Soho. Ich habe noch viele Erinnerungen, die sich komischerweise nur bruchstückhaft geben: Das Studentenwohnheim im Süden, ich vermute, irgendwo hinter der Station "Elephant & Castle", mit "strikter Tür", echt britischem Frühstück, inklusive Fließband-Toaster und in Fett triefenden Würsten, die dunkle Erinnerung an den Besuch eines Comedy Clubs (oder war das Washington?), die genaueren Erinnerungen an Greenwich und Camden Town, die wiederum dunkle Ahnung eines Parks mit Blick auf die Stadt (war das Hampstead?) und dunkle Erinnerungen an China Town und den Leicester Square, die ich nun zur Genüge auffrischen konnte.
12. Nochmal die Tube. Wahrscheinlich einzigartig auf der Welt. Obwohl alle Londoner darüber schimpfen, als Tourist ist sie nachgerade genial. Ok, 18 Pfund für 3 Tage sind nicht wenig, aber dafür fährt man auf einem Streckennetz von 4500 km Länge, das ist 3,5 mal Berlin und zurück, und alle drei Minuten kommt ein Zug. Ein irre großes Netz. 13 U-Bahnlinien. Ein wahrscheinlich nochmal so irres Netz an Bussen, die in einer ständigen Reihe, wie an einer Perlenschnur gereiht, die großen Hauptachsen der Stadt durchschneiden.
13. Heathrow. Ein hassenswerter Ort. Da baut man einen Express-Zug, und man geht dann ungefähr so lang zum Terminal, wie die gesamte Zugfahrt dauert. Der Zug lässt mich erstmals ein wenig am Transrapid-Projekt für München zweifeln, denn 27 Pfund, 40 Euro, für das Return-Ticket für eine bessere S-Bahn sind nicht gerade ein Schnäppchen. Dann nochmal 4 Kilometer durch den Flughafen wandern. 40 Minuten anstehen am Sicherheits-Check. Sechs Röntgen-Geräte, doch nur vier besetzt. Ich habe mich diebisch gefreut, ihnen bei den Gels (seit einem Incident vor zwei Monaten streng verboten) mit einer angebrochenen Zahnpastapackung ein Schnippchen zu schlagen. Der Münchner Airport mit seiner großzügigen Bauweise ist ein Genuss. Heathrow wirkt dagegen wie die Gängen von der Klinik in Großhadern.
14. Der Unterschied zwischen East- und West-End. Im Express-Zug von Paddington hört man geschliffenes Oxford-English, das Tennisplatz-Englisch der Leute aus Chelsey und Notting Hill, doch an anderen Plätzen der Stadt hört man diesen genialen Slang der Working Class und der Unterwelt, wie er in "Snatch" so genial portraitiert wurde.
15. München. Nach sechs Stunden in Zügen und anderen röhrenförmigen Gebilden wirkt es nur wie ein Vorort, der nach einer langen Tube-Fahrt erreicht ist. Am Flughafen die Reste von Zigarettenrauch. Alles ist ruhig. Noch ein airbräu-Bier, für lächerliche 1 Pfund 30. Drinnen nur Ossis an der Bar, wahrscheinlich Pusher und Gepäck-Transporteure. Die Polizisten auf dem Heimweg, mit abgesetzter Mütze. Sie werden von den Kontrolleuren ignoriert (darf man als Polizist schwarz fahren?). Nach exakt 5 Stunden von Paddingten dreht sich der Schlüssel im Schloss.
1. Es gibt eine Passkontrolle. Ich wusste kaum mehr, dass es so was noch gibt. Von der Organisation her fast wie in den US, außer dass man keine Schuhe ausziehen muss.
2. The little differences: Die Aufputz-verlegten Kabel, die Einrichtungen, die viel mehr nach USA aussehen, immer etwas billig und schlecht verlegt. Die Leute stellen sich links an und gehen auf der linken Seite. Auf der Rolltreppe steht man trotzdem rehts.
3. Die Menschen: Lauter Inder und Schwarze. Insbesondere die vielen Inder sind ein ungewohnter Anblick. Die Menschen schwatzen miteinander in der UBahn, auch wenn sie sich nicht kennen. Mehr Emotion in den Gesichtern.
4. Die Tube: Die Bahnhöfe scheinen immer zwischen "kurz vor der Fertigstellung" und "kurz vor dem Abriss" zu sein. Die Service-Meldungen am Eingang - süß. Außerhalb der Rush Hour extrem angenehm: Zug kommt nach einer Minute, freier Sitzplatz. Witzige, winzige Sitzbänke mit weichem Polster und wenig Beinfreiheit.
5. Die Werbungen - kreativer. Nur ein bisschen. Ein Gewinnspiel, für das man sein Handy an einen, wie nennt man das, Respirator, Akzeptor, Infrarot-Empfänger halten muss, was auch immer, mitten auf das Plakat geklebt, rot leuchtend und im Kreis sich drehend. Sicher nicht billig.
6. Die Backsteinbauten mit ihren Aufschriften aus dem vorletzten Jahrhundert. Die Pubs und Geschäfte mit ihrer kalligraphischen Bemalung. Die Tradition wird hier nicht nur gelebt, sie wird geatmet.
7. Die - teilweise - fantastische moderne Architektur. London kennt wohl viele Bausünden, wie das Barbican, ein Gasteig der 60er, Heimatstatt des London Symphony Orchestra, eine betongewordene Ödnis, im Grau der Sozialwohnungen gehaltene Utopie. Doch immer noch schöner als das Olympiadorf. Aber das Lloyds-Building kann mich begeistern, oder die "Gurke", ein konischer Bau, sicher irgendeine stahlgewordenene mathematische Formel von starker Klarheit und wahrscheinlich mittelmäßiger Praktikabilität. Oder, nicht weit davon entfernt, das Chaos der Brick Street, ein Stück London aus der Zeit Jack the Rippers, zwischen grasüberwachsenen Gleisrelikten ein riesiger Flohmarkt am Sonntag, abends wohl Ausgehviertel, wenn man indische Currys mag. Die Stadt lebt, verändert sich, entwickelt sich, anders als München, das architekturmäßig nur zurückschaut und sonst Opfer ist von Immobilien-Developern mit Architektur von Stange und Baumarkt.
8. Kaffee. Ich war gekommen, um Tee zu trinken. Die Tatsache, dass nur noch in einigen Nobelhotels der Fünf-Uhr-Tee noch zelebriert wird, hat an meinem Selbstverständnis genagt. Seit 10 Jahren ist in London das Fieber ausgebrochen. Zunächst die Starbucks-Filialen allerorten, die sich schon bei meinem letzten Besuch im Mai 1999 finden ließen, heute jedoch an jeder Straßenecke einen willkommenes Ersatz für ein öffentliches WC darstellen. Lokale Ketten, die anders heißen, aber genauso aussehen und schmecken. Und dann ein kleines Paradies mit Namen "Flat White", der beste Caffè Londons. Flat White, die neuseeländische (!) und in Australien populäre Variante des Capuccinos, von frustrierten Kiwis exportiert. Genial - während Capuccino für Beliebigkeit steht, gleichermaßen für die perfekte Variante wie die gemeine Plörre, war der Ausdruck "Flat White" noch unbefleckt und wurde hier neu belegt als Synonym für perfekten Cappuccino: ein rassiger Kaffee, perfekt eingestellte Maschien und ein geschultes Barista-Team. So muss es sein. Da zahlt man gern den Preis von £2,20, schlappe €3,30, DM 6,60.
9. Jüdische Comedy. Ist einfach am Besten, siehe Seinfeld. Auch wenn man als Deutscher natürlich sein Fett wegkriegt. Oder als Iraner. Umso schöner, wenn beide Spezies in der ersten Reihe im Comedy Club sitzen. "I have nothing against the Germans. Ok, I miss my grand parents... well, actually, I don't miss them that much..."
10. Die Restaurant-Kultur. Kein Laden, der was auf sich hält, der nicht von einem Designer durchgestylt wurde. Fast unzählbar viele Restaurants. Man bräuchte Monate, um sich einen Überblick zu verschaffen. Neue englische Küche, auf internationalem Niveau. So verschafft nur der Geldbeutel zu Demut und Bescheidenheit. Und verlegt den großen Restaurant-Test auf das nächste mal.
11. Soho. Ich habe seit Jahren einen Tagtraum gehabt, wo ich irgendwo am Rand eines dichten Viertels stehe und zum ersten Mal im Leben einen Starbucks betrete. Seit Jahren habe ich mich mit der Frage gequält, wo das war. Es war Soho. Ich habe noch viele Erinnerungen, die sich komischerweise nur bruchstückhaft geben: Das Studentenwohnheim im Süden, ich vermute, irgendwo hinter der Station "Elephant & Castle", mit "strikter Tür", echt britischem Frühstück, inklusive Fließband-Toaster und in Fett triefenden Würsten, die dunkle Erinnerung an den Besuch eines Comedy Clubs (oder war das Washington?), die genaueren Erinnerungen an Greenwich und Camden Town, die wiederum dunkle Ahnung eines Parks mit Blick auf die Stadt (war das Hampstead?) und dunkle Erinnerungen an China Town und den Leicester Square, die ich nun zur Genüge auffrischen konnte.
12. Nochmal die Tube. Wahrscheinlich einzigartig auf der Welt. Obwohl alle Londoner darüber schimpfen, als Tourist ist sie nachgerade genial. Ok, 18 Pfund für 3 Tage sind nicht wenig, aber dafür fährt man auf einem Streckennetz von 4500 km Länge, das ist 3,5 mal Berlin und zurück, und alle drei Minuten kommt ein Zug. Ein irre großes Netz. 13 U-Bahnlinien. Ein wahrscheinlich nochmal so irres Netz an Bussen, die in einer ständigen Reihe, wie an einer Perlenschnur gereiht, die großen Hauptachsen der Stadt durchschneiden.
13. Heathrow. Ein hassenswerter Ort. Da baut man einen Express-Zug, und man geht dann ungefähr so lang zum Terminal, wie die gesamte Zugfahrt dauert. Der Zug lässt mich erstmals ein wenig am Transrapid-Projekt für München zweifeln, denn 27 Pfund, 40 Euro, für das Return-Ticket für eine bessere S-Bahn sind nicht gerade ein Schnäppchen. Dann nochmal 4 Kilometer durch den Flughafen wandern. 40 Minuten anstehen am Sicherheits-Check. Sechs Röntgen-Geräte, doch nur vier besetzt. Ich habe mich diebisch gefreut, ihnen bei den Gels (seit einem Incident vor zwei Monaten streng verboten) mit einer angebrochenen Zahnpastapackung ein Schnippchen zu schlagen. Der Münchner Airport mit seiner großzügigen Bauweise ist ein Genuss. Heathrow wirkt dagegen wie die Gängen von der Klinik in Großhadern.
14. Der Unterschied zwischen East- und West-End. Im Express-Zug von Paddington hört man geschliffenes Oxford-English, das Tennisplatz-Englisch der Leute aus Chelsey und Notting Hill, doch an anderen Plätzen der Stadt hört man diesen genialen Slang der Working Class und der Unterwelt, wie er in "Snatch" so genial portraitiert wurde.
15. München. Nach sechs Stunden in Zügen und anderen röhrenförmigen Gebilden wirkt es nur wie ein Vorort, der nach einer langen Tube-Fahrt erreicht ist. Am Flughafen die Reste von Zigarettenrauch. Alles ist ruhig. Noch ein airbräu-Bier, für lächerliche 1 Pfund 30. Drinnen nur Ossis an der Bar, wahrscheinlich Pusher und Gepäck-Transporteure. Die Polizisten auf dem Heimweg, mit abgesetzter Mütze. Sie werden von den Kontrolleuren ignoriert (darf man als Polizist schwarz fahren?). Nach exakt 5 Stunden von Paddingten dreht sich der Schlüssel im Schloss.
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