Donnerstag, März 29, 2007

Arbeitslosenzahl

Seit gut zwei Jahren steigt die Anzahl der Jobs. Von 38,7 Millionen auf nun 39,5. Die sozialversicherungspflichtigen Jobs gibt allerdings von 2004 auf 2005 noch zurück, von 36,7 auf 36,2. Erst jetzt hat sie wieder den Stand von 2004 erreicht, mit steigender Tendenz. Die Arbeitslosenzahlen befindet sich seit Anfang 2005, wo durch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe eine statistische Anomalie entstand, die die Zahl auf über 5 Millionen hochschnellen ließ, in einem bemerkenswerten Sinkflug, auf nun knapp über 4 Millionen. Pro Monat sind letztes Jahr 100000 Leute aus der Arbeitslosigkeit entkommen.
Was mich nun jedoch wundert, ist, dass niemand in der Presselandschaft diese Zahlen kommentiert. Man sieht weder ein Staunen noch Begeisterung. Mein gesamtes Leben zuvor war die Arbeitslosenzahl ständig gestiegen, trotz guter Konjunktur, zum Beispiel Ende der Achtziger, als die Wirtschaft in Deutschland gebrummt hat. Ich weiß noch, als die Arbeitslosenzahl die 2-Millionen-Marke überstieg, als ich klein war.
Das Paradoxe daran ist, dass die Kohl-Regierung kein Jota zur Verbesserung des Arbeitsmarktes getan hat. Unter Blüm wurde dagegen der Arbeitsmarkt weiter zementiert, die Lohnnebenkosten (Stichwort Pflegeversicherung) weiter angehoben und die Lösung des Rentenproblems auf die lange Bank geschoben ("Die Renden sin sischer").
Jahrelang schien die Schröder-Regierung daran nichts ändern zu wollen. Der demographische Faktor, die einzige Maßnahme von Blüm, welche die Rentenkosten wenigstens zum Teil in den Griff bekommen konnte, wurde sogar abgeschafft.
Doch nach der Wiederwahl 2002 schien die Regierung endlich begriffen zu haben, was getan werden muss. Schröder boxte die "Agenda 2010" durch, die größte Überholung des Sozialsystems und des Arbeitsmarktes seit Jahrzehnten. Kern waren die Hartz-Gesetze, die Zusammenlegung des Arbeitsamtes und der Sozialämter in Jobvermittlungs-Stellen, die Zusammenlegung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Die Verschärfung der Zumutbarkeitsbedingungen, die Verkürzung der Bezugsdauer von ALG 1. Die Senkung von ALG 2. Arbeit lohnt sich so erstmals wieder, und sie wird besser vermittelt.
Dass dieses Paket von der SPD durchgenickt werden musste, haben sie ihrem Chef nicht verziehen. Letztlich hat Schröder daher für die richtige Politik seinen Hut nehmen müssen. Und das genau vor der Zeit, wo die Reformen zu greifen begannen. Ist das nicht paradox?
Eine zweite Säule der Agenda wurde jedoch nicht umgesetzt: Die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Zum Beispiel Kündigungsschutzes. Eine größere Flexibilität für Firmen wäre ein Anreiz, Menschen einzustellen! Wir erkaufen uns den Kündigungsschutz mit einer höheren Arbeitslosenzahl, weil kurzfristige Jobs nicht angeboten werden, bzw. durch Vermittler wie Zeitarbeitsfirmen verteuert werden. Zum Beispiel Lohnflexibilität. Aufgrund der starren Löhne und der fehlenden Möglichkeit, Ungleichgewichte durch Wechselkurse zu stabilisieren, hat es eines fast zehn Jahre dauernden Lohnverzichtes bedurft, bis durch die Inflation die Löhne wieder auf konkurrenzfähiges Niveau gesunken waren. Die zweite Hälfte des jetzigen Aufschwungs ist auf diese Entwicklung zurückzuführen. Ein flexiblerer Arbeitsmarkt hätte das schon vor fünf Jahren erreichen können, die Arbeitslosenzahl wäre heute um eine Millionen Menschen niedriger!
Und was macht die große Koalition? Bisher nicht viel. Oder wie ein amerikanischer Korrespondent gesagt hat, "sie stört zumindest nicht".

Donnerstag, März 22, 2007

Privathochschulen schließen

Gleich zwei Private Hochschulen müssen wohl die Segel streichen: Die "International University in Germany" bei Karlsruhe und das "Stuttgart Institute of Management and Technology". Auch der Beiden gehen zwei Überlebenselixire aus: Studenten und Einnahmen.
Stellt sich die Frage, warum. Ein paar Notizen:
- Natürlich müssen derartige Einrichtungen ordentlich geführt werden. Vermutlich hatten die Leiter die Kompetenz nicht gerade mit Löffeln gefressen, und die Schließung oder Veräußerung ist einfach eine Folge mehrerer Management-Fehler. Wenn die Internationalisierung auf Kosten der Einnahmen vorangetrieben wird wie beim SIMT bleibt vielleicht nur ein Lottogewinn. Wer für ein paar Studenten ein repräsentatives Gebäute mietet, muss erstmal die Fixkosten decken.
- Derartige Schließungen sind jedoch normal. Bis ein ausreichender Stiftungs-Stock aufgebaut ist, muss man sich daran gewöhnen, dass Hochschulen genauso schließen können wie normale Firmen.
- Die kritische Masse an Studierenden wurde nicht erreicht. Damit fehlen dann auch Multiplikatoren, Werbeträger, Publikationen usw. Keine der genannten Einrichtungen konnte es schon national auf einen nennenswerten Bekanntheitsgrad bringen.
- Studiengebühren von 25000 Euro lassen sich in unserem Land derzeit einfach nicht rechtfertigen. Für diesen Preis geht man lieber "gleich nach USA". Die Einführung der 500 Euro Studienbeiträge wird daran wohl bis auf weiteres nicht viel ändern.
- Die staatlichen Universitäten sind aus der Elite-Diskussion zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung ein gutes Stück gestärkt worden. Solange keine private Hochschule diesen Status erreicht, wird dies auch weiter so bleiben. Und das, obwohl die nationalen Elite-Maßstäbe in internationalem Vergleich ziemlich ärmlich dastehen.
- Bleiben im Rennen: Um mal die Bekannteren zu nennen, die European Business School in Östrich-Winkel, die WHU in Koblenz, die IUB in Bremen, die Bucerius Law School in Hamburg, die Universität Witten-Herdecke, welche jedoch auch bereits in Turbulenzen geriet, nachdem die Medizinerausbildung vom Wissenschaftsrat scharf kritisiert wurde.
- Von "Elite", von der diese Hochschulen gern sprechen, wenn sie sich selbst meinen, kann allerdings keine Rede sein. Elite ist schließlich kein Prädikat , das man sich selbst verleihen kann.
- Immerhin hat sich der Anteil an privat Studierenden in 15 Jahren von 12000 auf über 40000 mehr als verdreifacht. Dennoch bleiben sie gegenüber den 2 Millionen Studierenden an staatlichen Universitäten immer noch eine Marginalie. Gerade jeder 50. Studierende ist an einer privaten Universität.
- Bleibt jedoch der Hauptpunkt: Eine Universität definiert sich durch zwei Assets: Geschichte und Stiftungskapital. Beides können die jungen Privatuniversitäten nicht bieten. Bisher hat es in Europa auch noch keine einzige Privatuniversität geschafft, der alten Garde von Oxford und Cambridge den Rang abzulaufen. Und wenn man an Deutschland denkt, denkt man immer noch als erstes an Heidelberg, die Humboldt-Universität, oder vielleicht noch die LMU. Und wenn, dann ihrer Geschichte wegen, oder der Zahl ihrer Nobelpreisträger. Für private Universitäten kommt das Stiftungskapital dazu, als Ersatz für ständige staatliche Leistungen. Wie kann man jemals die 20 Milliarden US-Dollar von Harvard erreichen oder die 10 Milliarden von Yale?

Wir brauchen aber ein kompetitives Nebeneinander von staatlicher und privater Forschung und Lehre. Wie beim Fernsehmarkt müssen diese beiden Systeme im gegenseitigen Wettbewerb stehen und sich gleichzeitig gegenseitig befruchten. Es wird noch einiges an politischer Gestaltung benötigen, um dies zu erreichen.

Samstag, März 10, 2007

CO2 Rechner

Nachdem in England bereits im Oktober die Medien voll waren von Artikeln der Art "Are you carbon-friendly?" haben jetzt auch die Zeitungen bei uns von Berichten über Kohlenhydrate auf Kohlenstoffe umgestellt. Wer hätte vor einem Monat gewusst, wieviel Kilo CO2 ein Auto erzeugt? Ich hätte zu dieser Zeit noch gesagt, "Wieso? Es ist ein Gas! Es wiegt doch nichts!" Weit gefehlt! Mittlerweile weiß ich: Mein Auto erzeugt wahrscheinlich 200 g CO2 pro Kilometer. Eine Kilowattstunde Strom liegt bei 550 Gramm. Und wenn man nach Shanghai und zurück fliegt, werden gleich 6 Tonnen davon fällig, pro Person wohlgemerkt. Wohl dem, der an die Ostsee fährt, zu sparsamen 35 Kilo.
So hat man wieder ein Panikthema, ein Thema, mit dem man sich schlechtes Gewissen machen und sorgenvolle Diskussionen führen kann. Ein kleiner Hinweis: Zur Zeit ist wieder die Vogelgrippe im Umlauf! Haben Sie's gewusst? Vor ein paar Wochen brach sie in Moskau aus, in England gab es einen Alarm, in Nigeria starb eine Frau - doch im deutschen Blätterwald ging das Thema unter. 14 Artikel gab es seit Anfang Januar dazu auf Spiegel online. Doch zum gesellschaftlichen Thema hat es nicht gereicht. Wer kann sich noch an letztes Jahr erinnern, wo jeder einzelne tote Vogel zu einer Meldung in der Tagesschau geführt hat? Wo man auf Spaziergängen im Park plötzlich H5N1-Warnungen an Bäume gepinnt vorfand? Da fragt man sich doch: Wo ist hier die Wahrheit? Wieviel von der Panik von letztem Jahr hätte man in dieses Jahr überführen müssen, um der realen Gefahr einen jeweils angemessenen Wert zukommen zu lassen?
Doch dies sind nicht die Kriterien für journalistische Arbeit. Ginge es darum, über Gefahren zu informieren, sollte man über viel Naheliegenderes berichten: Zum Beispiel sind im Englischen Garten etwa 30% der Zecken mit dem Borreliose-Bakterium infiziert. Bei etwa 10% der Zeckenbisse wird diese auf den Menschen übertragen und können die sogenannte Lyme-Krankheit übertragen. Die wird mittlerweile als die moderne Form der Syphilis bezeichnet - wird sie nicht kuriert, kann sie chronische Nervenentzündungen und Lähmungen hervorrufen. Dank der milden Witterung dürfen wir uns darauf gefasst machen, dass wesentlich mehr der ärgerlichen Parasiten dieses Jahr überlebt haben. Im Spiegel ist aber nur eine einzige Notiz über die Vermehrung von FSME zu lesen, einem Erreger von Hirnhautentzündung, der auch über Zecken übertragen wird, aber etwa 500 mal seltener vorkommt.
Und was die CO2-Panik betrifft, fehlt mir im Moment der Bericht über den Zustand der CO2-Verbraucher. Wieviel CO2 verbraucht eigentlich ein Baum? Um wieviel steigt die Erdtemperatur denn durch Abholzung? Welchen CO2-Wert hat also ein Teak-Holz-Tisch? Kann man einen Trade-Off machen - ein Steak gegen einmal weniger Rasen mähen? Kein schlechter Deal, nicht?? Überhaupt, Bewegungsmuffel sind ökologisch im Vorteil: Wer Sport treibt, braucht mehr Sauerstoff, und wird am Ende noch ein Fleisch essen, aus Argentinien vielleicht. Wieviele Bäume muss man pflanzen, um das auszugleichen? Wobei - so ganz verstanden habe ich die Rechnung mit den Rindern nicht - brauchen die fossile Brennstoffe? Wenn nein, ist das Methan, das sie über ihre Verdauung emittieren, nicht vielleicht genau so viel Wert wie die Pflanzen, die sie gefuttert bekommen? Und am Ende: Vielleicht sollten wir das mit dem Kindergeld auch mal überlegen - ein Kind zu zeugen ist schließlich ökologischer Wahnsinn: Ein Menschenleben liegt bei mindestens 800 Tonnen CO2!
Wer jetzt Nahrung für sein schlechtes Gewissen braucht, kann bei verschiedenen Tests jetzt Klarheit über seine Freveleien erhalten: Da wäre der Test des Bayerischen Landesamtes für Umwelt oder der von Quarks und Co. Und ansonsten: Ruhe bewahren und möglichst nicht bewegen!