Samstag, September 23, 2006

Radermacher und der "Global Marshall Plan"

Heute auf BR Alpha kam ein ziemlich intelligenter Beitrag zum Thema Globalisierung. Franz Josef Radermacher (Mathematiker, Wirtschaftswissenschftler und Informatik-Professor - ha!) hat einige Konzepte in petto, wie man Globalisierung sowohl sozialer als auch umweltverträglicher gestalten kann.
Er hat sich u.a. mit dem "optimalen" Verhältnis des Vermögens zwischen den reichsten 20% und den restlichen 80% auf nationaler und globaler Ebene beschäftigt.
Augenscheinlich, sagt Radermacher, muss dies irgendwo sein zwischen 20% (das wäre totaler Kommunismus, ohne Anreize für Eliten, Leistung zu schaffen) und 100% (völlige Armut großer Teile der Bevölkerung sein). Doch wo ist das Optimum?
Die westlichen Industriegesellschaften erreichen durch Umverteilung einen Wert zwischen 35% (Skandinavien) und 48% (USA). Deutschland liegt mit Japan zusammen bei etwa 40%.
In manchen Ländern liegt der Wert jedoch bei über 60% (Brasilien), so dass Favelas und Gated Communites nebeneinander liegen und soziale Spannungen garantiert sind. Global gesehen liegt der Wert im Moment bei 80%.
Letztlich spricht sich Radermacher daher für eine besser organisierte Umverteilung auf globaler Ebene aus. Soweit, so gut, das wollen linke Gruppierungen wie attac auch. Die von Radermacher unterstützte Initiative Global Marshal Plan scheint mir auf den ersten Blick jedoch um einiges intelligenter zu sein als die Krawallbemühungen der Grass Roots. Sie wurde erstmals 1993 in einem Buch von Al Gore entwickelt und findet heute Unterstützung von Personen unterschiedlichster Lager, wie Joschka Fischer, Genscher, Ferrero-Waldner, Geisler, dem Club of Rome, etc.
Werde mich mal etwas näher damit beschäftigen...

Donnerstag, September 14, 2006

Die perfekte Arbeitsumgebung

Manche Menschen können in einem Cubicle ihr ganzes Leben perfekte Arbeit leisten, ohne auch nur ein Fenster oder einen Gummibaum zu sehen...
Leider wäre das für mich (vermutlich) völlig unmöglich. Aber wahrscheinlich nur, weil ich von Kindesbeinen an einen etwas angenehmeren Arbeitsplatz hatte, mit dem sich alles vergleichen muss...
Ich muss sagen, dass ich die perfekte Arbeitsumgebung gefunden habe. Sie wird sich allerdings nicht leicht kopieren lassen. Für Außenstehende klingt das folgende wahrscheinlich ziemlich amüsant...
Am besten arbeitet es sich nachmittags ab 17:00 bis ungefähr 2 Uhr nachts.
Großer Tisch (2 x 1 m), Leder-Chefsessel, der sich nach hinten kippen lässt, so dass man eine entspannte Position einnehmen kann;
unter dem Tisch eine etwa 25-30 cm hohe Stütze, um die Füße hochzulegen.
KEIN Internet. Fernseher geht.
Schwarzer Tee mit etwas Zucker.
Alte Zeichnungen von mir an der Wand (komisch, sie sind sehr befriedigend - weil sie genau dem Konzept von Ordnung im Kopf entsprechen. Man schaut sie an und denkt: ja, genau so. Das ist in etwa so, wie die Ausgabe eines fertigen Programms oder einen fertigen Text zu betrachten).
Linker Hand das große Fenster. Von dort aus Blick auf Baumwipfel und Alpengipfel im Hintergrund. Sorry, der beste Arbeitsplatz ist eben nicht billig...
Baumwipfel sind gut, weil sie eine komplexe Struktur haben, die man lange betrachten kann. Sie enthalten Ordnung und zeigen die Größe der Natur. Ebenfalls der Blick auf die Berge: Sehr erhaben, sehr beruhigend. Sonnenuntergang - eine Pracht. Ehrfurcht. Größe. Schönheit.
Um einen herum zwei schlafende Hunde. Tiefes Schnaufen, sie fühlen sich merklich wohl. Und sorgen für einen strukturierten Tag, indem sie alle paar Stunden dafür sorgen, dass man Pause macht und durch den Wald läuft. Sind dankbar, freundlich, lebhaft.
So, jetzt schalten wir das Internet mal aus...

It's the Simple....

Noch ein Gedanke von gestern:
Zwei Beispiele, warum ich denke, dass man lieber einfache Technologien optimieren sollte, als über komplexe Technologien mit vielen Unbekannten nachzudenken:
1. der Verbrennungsmotor. Er ist tot seit 50 Jahren. Was wollte man nicht schon alles verwenden: Von atomgetriebenen Autos bis zur Brennstoffzelle. Stattdessen haben zwei Generationen von zigtausenden von Ingenieuren den Motor immer weiter verbessert. Heute sind wir fähig, mit 2 bis 3 Litern auf 100 km auszukommen. Und wir werden wahrscheinlich noch in 50 Jahren mit Verbrennungsmotor fahren, auch wenn sich die Treibstoffe bis dahin geändert haben werden (hoffentlich) und es vielleicht komplementäre Technologien wie den Elektromotor gibt, die man dazuschaltet. Beides wird hoffentlich schon in 10 Jahren der Standard sein. (Wenn wir in 10 Jahren immer noch mehrheitlich Neuwagen kaufen, die 10-12 Liter fossiles Öl verbrauchen - dann gute Nacht.)
2. Ethernet: Eine wunderbare einfache Idee, schön abstrahiert vom Trägermedium, frei verfügbar. Und auf 3 MBit/s ausgelegt. Heute sind wir bei Gigabit. Eben weil einfache Technologien gut zu optimieren sind. Und weil Ethernet von Anfang an nicht proprietär war, im Gegensatz zu Token Ring oder ATM.

Konzentrations- und Motivationsschwäche

Selbes Phänomen wie in diesem Comic: Keine Chance, sich auf die eigentliche Arbeit zu konzentrieren. Jeder Gedanke daran so angenehm wie an die Aufgabe, sich den Finger in den Hals stecken zu müssen.
Ich analysiere:
- Arbeiten an einem großen Klotz, den man nicht mehr ganz versteht (macht keinen Spaß)
- viele Wege, die man gehen könnte, wobei keiner wirklich heraussticht
- oder auch: der Gedanke, dass der Weg "im Prinzip" klar ist, man ihn aber noch gehen muss (langweilig)
- man hat die Aufgabe noch nicht wirklich verstanden. Das erzeugt Verwirrung und Frustration.
- keine externer Druck, dem man nachgeben muss und der die Handlungen kanalisieren würde. Man muss sich selbst motivieren, genau diesen Weg zu gehen und keinen anderen
- Unklarheit darüber, wie genau man den Weg gehen muss.
- Übermäßige Müdigkeit beim Literaturstudium
- zu viel Ablenkung: Schönes Wetter, Internet Surfen, Blogs schreiben, chatten etc.

Folgende mögliche Lösungsstrategien:
1. Problem aufteilen. Vielleicht ist es nicht gut genug definiert.
2. Problem herauslösen. Vielleicht gibt es zu viele Abhängigkeiten
3. Urlaub. Vielleicht ist man einfach überarbeitet. Der Körper sagt einem: Leg Dich in die Sonne! Die dunkle Zeit kommt bald. Ruh Dich aus! Die stressige Zeit kommt bald. Und dann brauchst Du die Kraft.
4. Problem setzen lassen. 50% der Problemlösung passiert im Schlaf (steht schon in der Bibel...). Voraussetzung ist dabei allerdings, dass man sich wirklich mit der Lösung beschäftigt, sonst träumt man von etwas anderem.
5. Klassische Musik soll die Konzentration erhöhen.
6. Bestimmte Düfte sollen die Konzentration erhöhen. Ich habe "Die fünf Tibeter" am Tisch stehen: Lemongrass, Minze, Zeder u.a. Ein frischer Duft. Ob's wirkt, wer weiß?
7. Frische Luft! Sport am morgen soll helfen. Sauerstoff ins Gehirn.
8. Sport ist noch zu etwas anderem gut: Die sonst immer überforderten Hirnareale können sich entspannen. Die sonst unterforderten Areale für Koordination werden aktiviert. Ein Tag kann so ein halber Urlaub sein. Mens sana...
9. Sparring. Man suche sich ein Whiteboard und einen Sparring Partner, mit dem man das Problem besprechen kann. Oft kann dieser Motivationsarbeit leisten, und alleine durch das Erzählen strukturiert man den Stoff und bekommt vielleicht einen anderen Einstiegspunkt. Wohl dem, der einen guten Sparring Partner hat! Dieser ist kritisch, stellt viele Fragen, versucht, Schwachstellen zu erkennen, kann Hinweise geben.
10. Pair Programming. Sitzt man zu zweit am Rechner, ist es viel schwerer, sich ablenken zu lassen.
11. Meditation. Habe ich noch nicht ausprobiert. Autogenes Training soll gut sein.
12. Angenehme Arbeitsumgebung. Ich muss zugeben, bei diesem Punkt bin ich überaus anspruchsvoll. Ein erster Ansatz ist, den Tisch leerzuräumen und abzuwischen. Komischerweise denkt sich's dann leichter.
13. Ein Seminar halten. Das hat viele Effekte: Man muss den Stoff strukturieren; man hat feste Deadlines, die man nicht verschieben kann, ohne seinen Kopf zu riskieren (zumindest neigt man dazu, das zu denken). Man muss einfache Worte wählen. Und man muss sich solange damit beschäftigen, bis man es wirklich verstanden hat.

Mehr zu diesem letzten Punkt: Hier einer meiner Lieblingsartikel von Hal Varian, einem der bekanntesten Buchautoren in der VWL.

Wenn alles nichts hilft, und das passiert mir leider viel zu oft, versuche ich eine letzte Strategie: Wenigstens irgendwas Sinnvolles tun, etwas Produktives, das man später vielleicht wieder verwenden kann. So ist meine Wohnung wenigstens in Ordnung, die neue Waschmaschine montiert - und es sind mittlerweile 48 Einträge in diesem Blog entstanden. Ein Professor hat mir mal den Tipp gegeben, beim Schreiben einer wissenschaftlichen Arbeit an den flauen Tagen wenigstens Bildunterschriften zu schreiben. Beruhigend, dass ihm das auch passiert.

Mittwoch, September 13, 2006

Summer School

Wäre ich noch länger an der Universität beschäftigt, würde ich wahrscheinlich eine Summer School aufbauen zum Thema Sprachverarbeitung an der Schnittstelle zu anderen Wissenschaften (Neurowissenschaften, Medizin, Informatik, Mathematik, Psychologie). Ich merke, dass ich die viele Zeit, die ich selbst ohne äußere Zwänge verbringe, nur zu ca. 30% (oder sogar weniger) produktiv ist, und ich einen Großteil damit verbringe, Spaß zu haben - ob das jetzt in der Sonne liegen, im Internet surfen, fernsehen oder schlafen ist, ganz egal: Die spaßbringenden Versuchungen stehen in ständiger Konkurrenz mit dem, was man eigentlich erreichen will, was aber unter Umständen Arbeit und Langeweile bedeutet. Da ist es besser, man setzt sich selbst ein Ziel mit äußeren Constraints, wie die Vorbereitung so einer School, bei dem man selbst noch was lernt und wo man gleichzeitig einen Mehrwert schafft: Man kann eine Marke, ein eigenes aufbauen, intelligente Leute für das Fach begeistern, eine Art Schnupperstudium aufbauen, im Gespräch mit anderen Fachbereichen vielleicht sogar auf neue Ideen kommen. Ich sehe da zwei Zielgruppen: Einmal Schüler, die nicht genau wissen, was sie studieren sollen, aber motiviert genug sind, sich in den Sommerferien in die Uni zu begeben, und Graduierte aus anderen Fachbereichen, oder solche, die schon länger abgeschlossen haben, und eine Weiterbildung suchen. Gerade bei letzteren gäbe es auch einen finanziellen positiven Aspekt, da man vielleicht auch ganz gut verdienen könnte.

Donnerstag, September 07, 2006

Offtopic: Architektur-Ästhetik

Die Aufnahmen bei DesignKlicks zeigen (auf "Architecture" geschaltet): Experten mögen auf Platz 1 einen Betonklotz, auf Platz 2 eine nichtssagende Reihenhaussiedlung. Beim "Public Rating" ist auf Platz 1 ein Foto eines im bunten Neonlicht der 50er Jahre erscheinenden Wartungshäuschens, und auf Platz 2 eine knorrige Berghütte vor Alpenpanorama.
Linkshirn trifft Rechtshirn.
Was lernen wir daraus? Es ist pars pro toto ein Exempel für die falschen Anreizsysteme in unserer Architekturszene, in der es immer noch entweder um die Fortführung der "modernen" Bauhaus-Architektur geht, oder um "ökonomisches" Bauen für die Immobilienfonds, während der Einzelnen auf der Suche ist nach der Emotion im Bauen, nach Wärme, nach dem Heimligen. Es ist traurig.